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Wie Klärschlamm und Biomüll zu Wärme werden: die Heizung aus der Kläranlage
Unser Abwasser ist keine verlorene Ressource, sondern wird von der IKB aufwendig gereinigt. Dabei entsteht Klärschlamm, der gemeinsam mit Biomüll verfault und Klärgas produziert. Motoren erzeugen daraus elektrische Energie und Wärme: ein Kreislauf, der den Innsbrucker:innen zugutekommt.
Der wichtigste Schritt der Kläranlage passiert nahezu geräusch- und geruchlos: In sogenannten Belebungsbecken machen sich Millionen Mikroorganismen ans Werk. Sie zersetzen die organischen Substanzen im Abwasser. Zurück bleibt sauberes Wasser. Und am Boden der Absetzbecken: Schlamm.
Klärschlamm entsteht also, wenn Mikroorganismen organische Abfälle zersetzen. „Dieser Klärschlamm hat nichts mehr mit den Fäkalien oder anderen Abfällen im Abwasser zu tun. Es handelt sich um höchst produktive Biomasse“, erklärt Julian Widmoser, MSc, Abteilungsleiter der IKB-Abwasserreinigung und Betriebsleiter der Innsbrucker Kläranlage. Die Mikroorganismen sind nicht nur für den Reinigungsprozess in der Kläranlage elementar, sie machen aus dem Abwasser auch eine wertvolle Ressource. Denn der anfallende Klärschlamm erzeugt in Faultürmen Klärgas, das zum Heizen genutzt wird. Doch von vorn.
Erster Schritt: Abwasser reinigen
Ein Tropfen Abwasser braucht für den Weg durch die Kläranlage etwa eineinhalb Tage. Dabei wird es in drei Stufen gereinigt, bevor es zurück in den Inn geleitet wird. In der mechanischen Reinigungsstufe wird grobes Störgut – also Gegenstände wie Feuchttücher oder Toilettenartikel – ausgesiebt. Dann wird das Wasser von Öl und Sand befreit.
1,5 Tage
braucht ein Tropfen Abwasser für den Weg durch die Kläranlage.
Anschließend übernehmen Mikroorganismen die Feinarbeit. „Die biologische Reinigungsstufe ist äußert effektiv, aber energieintensiv. Denn für den Stickstoffabbau benötigt ein Teil der Organismen Sauerstoff“, erklärt Widmoser. In den Becken blubbert es, kleine Luftblasen steigen auf. Drei sogenannte Turboverdichter führen Luft ins Wasser – und zwar laufend. Auch die chemische Reinigung passiert in diesen Becken: Nährstoffe wie Phosphor werden gebunden und so mit dem Klärschlamm dem Abwasser entnommen.
In den Nachklärbecken bleibt nur mehr sauberes Wasser zurück. Der Klärschlamm setzt sich am Beckenboden ab. Er wird durch Rohrleitungen in zwei große Faultürme befördert und mit Biomüll von Innsbrucker Haushalten und Betrieben vermischt.

Zweiter Schritt: Biogas aus Klärschlamm und Biomüll
Die Faultürme fassen jeweils 5.000 Kubikmeter und funktionieren wie ein überdimensionaler Kompost. „In diesen geschlossenen Silos findet unter Wärmeeinsatz ein Gärprozess statt. Bei 37 Grad Celsius wird die Biomasse stabilisiert. Dabei entsteht Klärgas“, erklärt Widmoser den Fermentationsvorgang. Der Bioabfall wirkt wie ein Turbo für die Gasbildung. 18 Tage lang fault er mit dem Schlamm vor sich hin und erzeugt dabei Energie.
Die Energie wird direkt verwendet, um den Klärschlamm zu trocknen. Denn bis dieser entsorgt werden kann, muss er weiter an Feuchtigkeit und Volumen verlieren. „Der Klärschlamm wird auf ein Viertel reduziert. Dies geschieht in einem Trockner, der mit einem Heizkessel betrieben wird“, so Widmoser. Würde der Schlamm in der Kläranlage nicht getrocknet werden, so fielen täglich unglaubliche 32 Tonnen als Abfallprodukt der Klärung an. „Nach der thermischen Trocknung sind es nur mehr acht Tonnen, die entsorgt werden müssen. Das ist logistisch eine enorme Erleichterung und nützt auch der Umwelt. Es sind weniger Lkw-Fuhren nötig.“
Die IKB hat dafür 2017 die größte kommunale Trocknungsanlage Österreichs errichtet. Durch die Trocknung wird fast das gesamte Wasser im Schlamm verdampft. „Das fertige Granulat hat nur mehr drei Prozent Wassergehalt. Es greift sich ähnlich an wie Braunkohle und hat auch einen ähnlichen Heizwert. Wird es verbrannt, bringt es also dieselbe Wärmeenergie“, sagt Widmoser

Dritter Schritt: Strom und Wärme erzeugen
Doch damit nicht genug. Das Klärgas, das nicht für die Trocknung benötigt wird, landet im sogenannten Blockheizkraftwerk und treibt zwei Gasmotoren an. Diese erzeugen elektrische Energie, um die Kläranlage zu betreiben: Pro Jahr können aus dem Faulgas rund 4,8 Millionen Kilowattstunden Strom gewonnen werden. So viel wie 1.800 Haushalte jährlich verbrauchen.
Der Strom wird für die energieintensiven Prozesse der Kläranlage benötigt. „Besonders viel Energie fressen unsere Turboverdichter, die Luft in die Becken der biologischen Reinigung pressen. Sie sind für die Reinigung unverzichtbar“, betont IKB-Betriebsleiter Widmoser. „Und auch die Bewässerungsschnecken und Pumpen brauchen Strom. Auf das ganze Jahr gesehen können wir etwa 60 Prozent des Strombedarfs der Kläranlage über die Blockheizkraftwerke decken.“ Die Kläranlage versorgt sich selbst und kann noch mehr.
Wärme für Hallenbad und Haushalte
„Beim Betrieb der Gasmotoren entsteht Wärme, die auf der Kläranlage selbst verwendet und auch ins Fernwärmenetz eingespeist wird“, erklärt DI (FH) Bernhard Larcher, Geschäftsbereichsleiter der IKB-Energieservices. Dass auf der Kläranlage nicht nur Wasser gereinigt, sondern auch Energie erzeugt wird, ist für ihn selbstverständlich. „Wir können die Wärme, die beim Klärungsprozess entsteht, nicht in die Luft blasen, während die ganze Welt nach Lösungen für den Ausstieg aus fossilen Energien sucht.“
Seit 2017 versorgt darum eine direkte Leitung das Hallenbad Olympisches Dorf und das Restaurant am Baggersee mit ökologischer Wärme von der Kläranlage. Neben den Motoren, die das Klärgas verarbeiten, ist ein weiteres Biomasseheizwerk am Standort der Kläranlage im Einsatz. Es produziert Strom und Wärme für die Kläranlage und speist den Überschuss ins öffentliche Stromnetz ein. „Die nachhaltige Energieversorgung der Innsbruckerinnen und Innsbrucker ist uns ein wichtiges Anliegen. Hierfür wollen wir jeden Baustein nützen. Die Energiewende muss passieren. Da sind wir als kommunale Energieversorgerin in der Verantwortung“, findet Larcher.
Und was passiert mit dem getrockneten Klärschlamm? Dieser wird mit dem Zug nach Wien Simmering zur thermischen Verwertung transportiert. Schließlich entsteht auch dabei wieder Wärme, die ins Fernwärmenetz der Stadt Wien eingespeist wird. IKB-Kläranlagen-Betriebsleiter Julian Widmoser abschließend: „Die Energie des Innsbrucker Abwassers wird kontinuierlich rückgewonnen. Bis zum Schluss.“

Wärmekreislauf in Zahlen:
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Zwischen 10 und 18 Grad Celsius hat das Abwasser, wenn es in der Kläranlage ankommt: eine ideale Temperatur, damit die Mikroorganismen der biologischen Reinigungsstufe arbeiten können.
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Bereits seit 1976 wird in der Innsbrucker Kläranlage Gas aus Klärschlamm erzeugt. Ein Großteil dieser Energie wird für die weitere thermische Trocknung des Schlamms aufgewandt.
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Bis zu 50 Tonnen Bioabfall pro Tag und damit 6.000 Tonnen im Jahr werden in den Faultürmen verwertet.
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4,8 Millionen Kilowattstunden elektrische Energie werden jedes Jahr im Faulgas-Blockheizkraftwerk erzeugt. Die Kläranlage kann damit 60 Prozent des eigenen Strombedarfs decken.
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4 Millionen Kilowattstunden Wärme werden auf der Kläranlage erzeugt. Was nicht für den Reinigungsprozess benötigt wird, landet im Fernwärmenetz. So werden das Hallenbad Olympisches Dorf und das Restaurant deck47 am Baggersee direkt mit Wärme versorgt.