
Startseite » IKB-Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht 2024 » Topthemen » Klimaschutz: Erneuerbare Energien und Energieeffizienz » Grundwasser: „Eine wirklich lokale Ressource“
Grundwasser: „Eine wirklich lokale Ressource“
Über Grundwasser können Gebäude sowohl beheizt als auch gekühlt werden. Dafür errichtet die IKB unterirdische Netze, die das Grundwasser transportieren. Wo sie überall entstehen, welche Hürden es noch gibt und wie die Nutzung im nachhaltigen Kreislauf gelingt, weiß Moritz Ammann, MSc, Projektleiter im IKB-Bereich Energieservices.
Herr Ammann, warum nutzt die IKB Grundwasser?
Grundwasser hat ganzjährig eine relativ konstante Temperatur von 10 bis 14 Grad Celsius und eignet sich damit hervorragend zum Kühlen und Heizen. Um ein Gebäude zu kühlen, kann das Wasser direkt genutzt werden. Man spricht dabei von Free-Cooling. Die Wärme des Gebäudes wird über einen Wärmetauscher in das Grundwasser abgegeben. Das erwärmte Grundwasser wird über das Netz und einen Rückgabebrunnen zurück in den Grundwasserkörper geleitet.
Und wenn ein Gebäude auch beheizt werden soll?
Dann wird zusätzlich eine Wärmepumpe eingesetzt. Mit ihr wird dem Grundwasser ein Teil der Wärme entzogen und auf das Heizungswasser übertragen.
Welchen Vorteil bietet eine Grundwasserwärmepumpe?
Aufgrund der konstanten Temperatur des Grundwassers kann die Wärmepumpe sehr effizient betrieben werden. Zum Vergleich: Die Lufttemperatur in Innsbruck schwankt über das Jahr zwischen minus 10 und plus 35 Grad Celsius. Das macht Luftwärmepumpen ineffizienter, und die Jahresarbeitszahl – also das Verhältnis von zugeführter Energie in Form von Strom zu erzeugter Wärme – verschlechtert sich. Eine Grundwasserwärmepumpe benötigt weniger Strom, um Wärme zu liefern.

Warum ist das so?
Eine Luftwärmepumpe muss im Winter gegen die kalte Außenluft arbeiten, um das Gebäude zu heizen. An warmen Sommertagen arbeitet die Kühlung gegen die erwärmte Außenluft. Es ist mehr Strom nötig, um zu heizen oder zu kühlen. Wenn kein Grundwasser oder Fernwärme zur Verfügung stehen, ist eine Luftwärmepumpe dennoch eine gute Variante, um das eigene Energiesystem auf regenerative Energie umzustellen.
Wie macht die IKB das Grundwasser nutzbar?
Es wird über einen Brunnen entnommen und über einen zweiten wieder ins Erdreich eingeleitet. Dazwischen laufen Leitungen, die ein oder mehrere Gebäude mit Wärme und Kälte versorgen. Für die Brunnen werden Löcher in eine Tiefe von 20 bis 50 Metern gebohrt. Welche Grundwasserschicht genutzt wird, hängt von der Geologie und den bereits bestehenden Nutzungen ab. Auf privatem Grund gibt es in Innsbruck schon viele Grundwasserbrunnen, die vor allem zum Kühlen eingesetzt werden.
Wie gelangt die Energie aus dem Grundwasser in die Heizungen und Kühlungen von Häusern?
Die IKB errichtet hierfür eigene Grundwassernetze. Diese Leitungen transportieren das Wasser unter Druck zu einem Wärmetauscher. Im Wärmetauscher findet der Wärmeaustausch zwischen Gebäude und Grundwasser statt. Im Heizfall wird dem Grundwasser Energie entzogen und im Kühlfall Energie auf das Grundwasser übertragen.
Mit einem System kann also klimatisiert und geheizt werden?
Mit Grundwasser kann der Wärme- und Kältebedarf aus einem System bereitgestellt werden. Historisch wurde Grundwasser vor allem zum Kühlen von Gebäuden benutzt. Die klassische Innsbrucker Lösung besteht darin, Gebäude mit Gas zu heizen und mit dem Grundwasser zu kühlen. Die IKB will hier ansetzen und Gebäudeeigentümer:innen davon überzeugen, dass Grundwasser wesentliche wirtschaftliche und ökologische Vorteile bietet, wenn es auch zum Heizen verwendet wird. Das wäre nachhaltig.
Wie viel Wasser ist dafür nötig?
Das hängt vom Bedarf der Gebäude ab. Aus jedem Kubikmeter Grundwasser lassen sich fünf bis sechs Kilowattstunden Heiz- oder Kühlenergie gewinnen. Aus dem IKB-Entnahmebrunnen am Bozner Platz sprudeln 46 Liter Grundwasser in der Sekunde. Diese Leistung ist ausreichend, um mehrere große Gebäude zu versorgen.
Kann das Wasser anschließend direkt in den Untergrund zurückgegeben werden?
Ja, es darf aber eine Temperatur von 20 Grad Celsius nicht überschreiten. Die Wasserrechtsbehörde kontrolliert das sehr genau. Die IKB strebt eine ausgeglichene Nutzung an: Über das Jahr hinweg soll gleich viel Wärme aus der Kühlung in das Grundwasser übertragen werden wie zum Heizen im Winter entnommen wird.
Damit es den natürlichen Wasserkreislauf nicht beeinträchtigt?
Genau. Wird über Jahrzehnte ausschließlich Wärme ins Grundwasser eingebracht, so ist nicht klar, wie der Grundwasserkörper reagiert. Man darf sich das Grundwasser aber nicht wie einen ruhigen See vorstellen, eher wie einen gemächlichen Fluss. Es findet stetig Bewegung statt. Dadurch regeneriert es sich schnell und kann fortlaufend genutzt werden. Eine regionale, erneuerbare Ressource.
So funktioniert ein Wärmetauscher
So funktioniert die Grundwasserwärmepumpe



Steht die thermische Nutzung des Grundwassers in Konflikt mit unserem Trinkwasser?
Nein, die Innsbruckerinnen und Innsbrucker müssen sich keine Sorgen machen. Unser Trinkwasser wird nicht übers Grundwasser in der Innenstadt gespeist, sondern kommt aus Quellen, die höher liegen. Mit dem Ausbau der Mühlauer Quelle hat die IKB die Trinkwasserversorgung der nächsten Jahrzehnte gesichert.
Kann jeder Haushalt eine Grundwasserwärmepumpe errichten?
Grundsätzlich ja. Es gibt auch schon viele Brunnen auf privatem Grund. Die IKB will mit den Grundwassernetzen eine kommunale Infrastruktur schaffen, die vielen Abnehmerinnen und Abnehmern nützt. Leider verhindern die Einzelnutzungen oft, dass das volle Potenzial ausgeschöpft werden kann. Hier ist auch die Politik gefordert, eine nachhaltige Bewirtschaftung im Sinne der Allgemeinheit sicherzustellen.
Wo gibt es bereits Grundwassernetze?
Es gibt drei Grundwassernetze in der Innenstadt, die teilweise zusammenhängen. Eines versorgt das Haus der Musik und das Sicherheitszentrum mit thermischer Energie aus Grundwasser, ein zweites Netz das Bürogebäude der Tiroler Versicherung. Ein drittes wird das neue Raiqa-Quartier versorgen.
Wie aufwendig ist der Bau dieser Infrastruktur?
Die Planung und Umsetzung in der Innenstadt sind komplex. Glücklicherweise hat die IKB jahrzehntelange Erfahrung und weiß, wie Leitungen auch unter schwierigen Rahmenbedingungen errichtet werden können. Ein Beispiel ist der Bozner Platz, wo im letzten Jahr ein Netz entstanden ist. Es waren stark befahrene Kreuzungen betroffen und ein Gebiet, in dem viele bestehende Leitungen wie Strom und Wasser im Untergrund laufen.
Wo sollen die nächsten Grundwassernetze entstehen?
Zwischen der Museumstraße und der Universitätsstraße entwickelt die IKB ein neues Projekt. Über einen Brunnen in der Angerzellgasse sollen das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum sowie weitere Gebäude im Einzugsbereich versorgt werden. Auch für den Bereich des bestehenden Netzes beim Haus der Musik und beim Sicherheitszentrum laufen Gespräche für eine Erweiterung.
Mit dem Klimawandel werden die Städte heißer. Herkömmliche Klimaanlagen fressen viel Strom. Wie kann uns Grundwasser hier helfen?
Der steigende Bedarf an Kühlenergie ist der Haupttreiber für unsere Grundwassernetze. Grundwasser ist keine günstige Ressource. Wenn man teure Netze baut, sollten sie daher besonders effizient genutzt werden. Nämlich auch zum Heizen. Für unsere Kundinnen und Kunden sind Grundwasserpumpen auch deshalb interessant, weil sie fast geräuschlos funktionieren und das Stadtbild nicht negativ beeinträchtigen.
Wie viel Energie wird momentan aus dem Grundwasser entnommen? Und welche Reserven sind noch vorhanden?
2024 konnte die IKB 10.650 Megawattstunden thermische Energie aus dem Grundwasser bereitstellen. Jedes Jahr wird es ein bisschen mehr. Wie groß die verbliebenen Kapazitäten im Grundwasserkörper unter Innsbruck sind, wissen wir leider nicht. Es gibt bisher nur kleinräumige Betrachtungen und Untersuchungen. Für ein vollständiges Bild muss das vorhandene Potenzial erst untersucht werden.
Welche Herausforderungen gibt es?
Wenn Netze gebaut werden, sind hauptsächlich rechtliche Fragen zu klären: Wo dürfen die Brunnen errichtet werden? Wo die Leitungen? Darüber muss verhandelt werden. Wir befinden uns meist auf öffentlichem oder privatem Grund, der Platz in der Stadt ist außerdem sehr begrenzt. Nicht immer haben im Straßenquerschnitt mehrere Energiesysteme wie zum Beispiel Fernwärme oder Grundwasser Platz. Hier muss priorisiert werden.
Zusammengefasst: Wo liegen die Vorteile gegenüber anderen Energiequellen?
Die Grundwassernetze der IKB sind auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt. Es handelt sich im Wesentlichen um Leitungen, die 80 Jahre alt werden können. Für unsere Kundinnen und Kunden ist Grundwasser auch wirtschaftlich. Je nach Gebäudetyp wird zum Kühlen kein Strom benötigt, und bei gleichzeitiger Wärmeversorgung spart sich der Kunde oder die Kundin den Fernwärmeanschluss oder Gaskessel. Man muss sich immer fragen: Woher kommt die Energie, die wir täglich nutzen? Grundwasser ist neben Solarenergie eine lokale Ressource, die keine Abhängigkeiten mit sich bringt. Sie ist krisensicher und muss keine weiten Strecken zurücklegen. Sie kommt aus Innsbruck und nützt uns in Innsbruck.
Kältekreislauf in Zahlen
• 10 bis 14 Grad Celsius hat das Wasser, das 20 bis 50 Meter unter unseren Füßen im Erdboden „fließt“. Es eignet sich damit bestens zum Heizen und Kühlen von Gebäuden.
• 10.650 Megawattstunden thermische Energie konnte die IKB 2024 aus dem Grundwasser bereitstellen. Damit wurden 18 Gebäude in Tirol versorgt.
• 46 Liter pro Sekunde sprudeln aus dem IKB-Entnahmebrunnen am Bozner Platz. Damit können gleich mehrere große Bürogebäude mit ökologischer Wärme- und Kälteenergie versorgt werden.
• 3 Grundwassernetze der IKB gibt es in Innsbruck bereits. In den kommenden Jahren sind weitere geplant.
• 14 Grundwasserbrunnen werden von der IKB in Tirol betrieben.
